Sinn


Das Leben hat keinen Sinn und Wasser ist nicht nass!

Das Erste fand Camus heraus, formulierte und begründet seine Erkenntnis. Die zweite Feststellung stammt von meiner Tochter, die wir beim Regenguss badend im Mittelmeer gemeinsam diskutierten.

Camus hat so weit recht, als dass der Standpunkt der Betrachtung und damit die zugestandene Wirkmächtigkeit von sinnhaften Handlungen nur groß genug sein muss, damit die aus einer Überlegung entstandene Aktion aus der dann existierenden Entfernung betrachtet sinnlos erscheinen.

Gestehen wir dem Leben von seinem Anfang bis zum gewählten oder erzwungenen Ende einen Raum zu. Ein Sandkasten mit einem Seitenmaß von zwei Metern. An irgendeiner Stelle im glatten Sand beginnen wir Spuren zu hinterlassen, breiten sie mit der Zeit aus. Irgendwann entsteht ein von außen betrachtetet sinnloses Muster aus Burgen, Hügeln und Wegen im feuchten Sand. Andere Menschen beginnen vom Rand aufmerksam zu werden und schauen, was ich Schönes mit dem Sand anstelle. Werden sie interessiert, dann rufen und fordern sie in die eine oder andere Richtung die Striche zu ziehen, Burgen zu bauen oder Brücken über entstandene Vertiefungen zu konstruieren. Sie werfen mir dafür allerlei Hilfsmittel und Baumaterial zu, kleine Stöcke, Federn, runde Kiesel, seltener eine kurze Schnur. Es liegt an mir, sie zu benutzen, sinnvoll einzubauen, zu verwenden. Zu Beginn denke ich, die Ressourcen sind riesig, die Möglichkeiten groß. Schnell merke ich, dass der Raum begrenzt ist. Die Möglichkeiten fordern Entscheidungen über die Verwendung der Materialien. Ich kann mich mit Federn schmücken, sie halten aber auch den Sand gut zusammen. Die Stöcke ergeben eine stabile Brücke oder dienen als Bewehrung der Burg.

Ich muss Entscheidungen treffen, will ich nicht die Lust am Sandkastenspiel verlieren. Ist dass mein Ziel, sollte ich sinnvoll handeln. Die Wirkmächtigkeit meines Handelns bleibt von den Grenzen meines Seins bestimmt. Es kann passieren, dass ich beim buddeln plötzlich auf Öl stoße und die entstandenen Fontaine die umliegenden Kästen überrascht mit Öl bedeckt. Der Sand wird dadurch stabiler und die Burgen werden zu Türmen. Außerdem kann ich die Klumpen im Dunkeln eintauschen. Das ist nicht ganz fair, weil Handel die Gefahr des Betrugs in sich trägt und deshalb verboten ist. Es kann vorkommen, dass ich aus Versehen beim Festklopfen des Sandes an der Seitenwand einer Mauer zwei Atome so ungünstig treffe, dass mir die ganze Kiste um die Ohren fliegt, (ebenfalls auch die der Nachbarn). In diesen Fällen wirke ich über meine Grenzen hinaus, ungefragt und zufällig. Allerdings sind die Sandkisten auf der Unterseite des Sandkastenplaneten nicht betroffen. Die haben dafür andere Probleme, ihnen will alles entgleiten.

Hin und wieder steige ich aus meinem Kasten heraus und schaue neugierig zu den anderen herüber. Gefällt mir ein Quadrat und kommt der Besitzer nicht weiter oder droht ein Turm, eine Brücke einzustürzen, dann beginne ich ebenso von außen, mit einem anderen Blick auf seinen Sandkasten zu rufen und zu winken, werfe Ressourcen vom Rand in den Sand. Mir selbst darf ich keine Steine, Federn und Stöcke sammeln, das ist die blöde Grundregel auf dem Sandkastenplaneten.

Ich frage nicht nach der Schiedsrichterin, der Punktevergeberin, der Regelamazone. Ich buddel und baue und schaue genug Aufmerksamkeit für ein paar Steine zu bekommen.

Sollte ich den flüchtig vorbeiziehenden Elfen, ihren durchsichtigen Reizen folgen und die Sinnfrage stellen, kann ich ihn nicht erkennen und buddel weiter.

Die Aufgabe und damit den Sinn finde ich nur in meinem Kasten, der mein Leben begrenzt.