Ich nahm den Abzweig von der Straße, der Nebenstraßen in die Sackgasse hinein. Es ist der kürzeste Weg hinauf zum Platz, zu Geschäften, Banken, Bänken und Umstiegsplätzen. Die Straße endet für die Autos vor einer Treppe. Obwohl die SUVs doch mal endlich Gelegenheit hätten, ihre urbanen Qualitäten zu zeigen. Mit allen vieren die Treppe hinauf, anstatt die vier Liter Hubraum um den Block und zwei Ampeln atmen zu lassen. Wäre das eine artgerechte Anwendung eines SUV? Na ja, für den Moment war es nicht wichtig. Gehen wir mal davon aus, dass ich gerade zu Fuß unterwegs war und kein kleiner Mann in einem SportVehikle neben mir überlegte, wie er sich groß fühlen kann, noch größer.
Die Treppe rutschte unter einer Kastanie heraus direkt auf den Weg ins Bild. Sie macht ein „nach oben“ erst möglich. Die Stufen waren flach und an den Kanten schon lange rund nie kantig gewesen. Der verzogene Regenschauer machte den Stein dunkel. An den Absätzen markierten gelbe Streifen den Bruch des gleichmäßigen Gangs. Der Blick suchte nach Abweichungen, lockeren Stufen, Fallstricken, bevor die Füße die erste Stufe überhaupt erahnten. Die Augen sahen die Stufen, die eine Treppe ergaben. Irgendwo hinter der Stirn wurden eilig Muster über Erfahrungen gelegt. Die Gedanken suchten eine Lösung, das Hindernis mit den zur Verfügung stehende Mitteln zu bewältigen. Das linke Geländer war glänzend neu und stach den Rahmen ins Herz. Ein, trotz Regen und Tau glänzendes Rohr, pures Metall, diente als Handlauf. Die Stufen auf Abstand haltend schlängelte es sich von einem Ende zum anderen. Auf der anderen Seite auch ein Rohr, aber nicht so eitel. Viele Farbschichten blätterten an den Kanten hervor. Es passte besser zu den Sträuchern und dem Baum mitten in ihnen.
Leben atmet auf den Stufen.
Eine alte Frau steht mit gebeugtem Schultern rückwärts auf der Treppe und zieht Stufe für Stufe einen Rollator nach oben. Eine ihrer Hände hält sich an einem glänzenden Rohr, was ganz nass und vom letzten Regenschauer rutschig ist. Die andere Hand umfasst den gummierten Griff des Rollators. Der Körper kämpft mit sich, mit den Stufen, mit dem Rollator, mit der unmöglichen Aufgabe. Langsam und vorsichtig tasten sich die stumpfen Füße eine Stufe höher, rückwärts, um wieder zu ziehen. Die Hand am Rohr, über die gebeugten Schulter, den Arm hindurch bis zur Hand am Griff, weiter bis zu den hilflos schaukelnden Rädern ziehen kurze Muskeln, halten vernarbte Sehnen. Es geht nach oben, ganz langsam. Die Aufgabe ist sichtbar zu schwer für den alten Körper. Der leichte Rollator scheint schwer wie eine Schubkarre voll mit Sand.
Einige Meter vor mir läuft ein jüngerer Mensch. Ich konnte nicht mehr von ihm erkennen, nur seine schnellen Schritte der Treppe entgegen. Eilig steigen die schmalen Füße, die Stufen nach oben, an der Frau vorbei, ohne zu zögern, unbeirrt zur roten Ampel. Ich konnte sie hinter der oberen Treppenkante nicht sehen, aber sie ist immer rot. Man muss sie bitten, die Autos zu stoppen und das kleine grüne Männchen leuchten zu lassen.
Ich war nur noch etwas zwanzig Meter vor der ersten Stufe.
Von oben kommt ein Ehepaar die Treppe herunter, ich auf den ersten Stufen nach oben. Zwischen uns der Kampf des Alters mit der städtischen Realität. Eine alte Frau und ihr Rollator. Die beiden kommen zügig die Stufen herab, mein Schritt ist sicher, nicht eilig. Ich mache einen Schritt, sie in derselben Zeit eine Stufe und ein bisschen mehr. Die beiden sind schneller bei der alten Frau. Er spricht sie an, bietet ihr sicher Hilfe an. Ich komme als zweiter zu der schwer atmenden Frau mit ihrem runden Rücken und dem verzweifelten Kampf . Meine Chance war vertan. Nur wenige Meter kam ich zu spät, um Gutes zu tun, um zu helfen, um beruhigt in den Tag zu starten. Fast war ich etwas sauer auf den eiligen Helfer. Er nahm mir die Gelegenheit, mich leicht zu fühlen. Jetzt muss ich bei mir suchen, Leichtigkeit finden, beobachten und atmen. Gleichmäßig die Stufen hinauf steigen zu einem guten Leben.